Up close and Personal: Student Entrepreneur

Up close and Personal: Student Entrepreneur

An einem verregneten Dienstagnachmittag bin ich mit strubbligen Haaren und in meiner Motorradjacke in die UBS in Thun gegangen und habe gefragt, ob ich bei ihnen ein Kapitaleinzahlungskonto für eine Firmengründung eröffnen könne. Da Kleider bekanntlich Leute machen, gingen die Bankangestellten wohl eher davon aus, dass ich ein Bauernjunge bin, der sich erkundigen möchte was eine Kreditkarte ist. Die Überraschung in den Gesichtern war amüsant. 
Selber eine Dienstleistung anzubieten hat mir viel wertvolle Lektionen gelernt, mehr als jede Ausbildung könnte. 

Baby Steps

Meine Einzelfirma habe ich 2016 mit 2000 CHF Eigenkapital aus meinem Lehrlingslohn gestartet. Die Beträge lassen nichts Grosses zu. Aber das ist auch gut so. Ich habe die winzigen Schritte, welche zum nächsten Ziel führen geschätzt. Ich habe mir nie grosse Ziele gesetzt, sondern immer inkrementell versucht besser zu werden. Ich habe versucht die Kamerafahrten gleichmässiger zu machen, genauer auf die Musik zu schneiden, das Logo zu animieren, meine Onlinepräsenz aufzubauen und selber eine Webseite zusammen zu bauen. Die Ungeduld, die ich hatte, etwas endlich fertig zu stellen aber gleichzeitig immer weiter zu machen, hat mir geholfen den nächsten Schritt zu nehmen. 



Glass Ceiling

Neben der Videoproduktion habe ich immer noch gearbeitet. Ich war in der Lehre oder im Zivildienst oder im Studium – alles waren Vollzeitbeschäftigungen. Ich bin ein neugieriger Mensch und in dem Prozess des Herausfindens fühlt sich Nichts schwer oder wie Arbeit an. Im Sommer 2017 hatte ich aussergewöhnlich viele Aufträge und habe damit schon mehr Umsatz generiert als im Zivildienst verdient. Ohne es zu merken stieg das Arbeitspensum. Ich habe immer nach dem Feierabend beim Zivildienst geschnitten, Offerten und Rechnungen usw. erstellt. Wenn ich um Mitternacht fertig war, war dies aussergewöhnlich früh. Meistens habe ich bis nach 01:00 «gearbeitet». Unzählige Dosen Red Bull waren meine besten Freunde. Am nächsten Morgen war ich um 08:00 wieder im Büro beim Zivildienst. In der halbstündigen Mittagspause ging ich bevor ich etwas gegessen habe, in den Park hinter den Schiffen und nahm für 10 Minuten ein Power Nap.  Irgendwann habe ich die Erschöpfung nicht nur am Sekundenschlaf im Büro sondern auch sonst gesundheitlich gespürt. Ich bin froh die Erfahrung so früh gemacht zu haben und von dem Punkt an besser beurteilen zu können ab wann ich auf lange Sicht überlastet bin. 




The good, the bad, and the ugly

Der Betrag eines Auftrages war nie, was mich glücklich oder stolz machte. Es waren eher die Momente, in denen ich mir selber beweisen konnte, dass ich aus dem Erarbeiteten einen Vorteil geniessen darf. Ein Moment, in dem ich stolz auf das Erarbeitete war, als ich meine Freundin in das Hotel Blausee einladen konnte, weil ich für das Hotel ein Projekt realisiert habe und sie mir unter anderem einen Gutschein überreicht haben. Viel Anerkennung erhielt ich auch als ein Video und ein kleiner Bericht in diversen Zeitungen wie 20 Minuten und BZ publiziert wurde oder als ich beim Global Entreprenur Student Award (Schweiz) in den Halbfinal kam. 




Es mag glamourös klingen als Student eine Firma mit Büro, Auto und viele teure Kameraausrüstung zu haben. Besonders an einer Businessschule wo die meisten selber ambitioniert und erfolgsorientiert sind, wird die Vorstellung oft romantisiert. Wenn man in der Nacht nachdem ein Schnitt endlich fertig wurde, alleine auf den Knien im Büro den Boden putzt, oder sich mit Bürokratie herumschlägt, ist der Glamour schnell verflogen. 
Man macht Vieles nicht um das zu machen. In Momenten wo der Dreh von der Polizei abgebrochen wird, wo Kunden nicht zufrieden sind, wo man selber mit dem Endprodukt nicht zufrieden ist, wo man aus Versehen den Youtube Kanal mit über 100'000 Aufrufe löscht, wo man 2500 CHF für Festplatten ausgegeben hat, die nicht in den Server passen und man realisiert, dass man sich selber immer noch einen absolut unbedeutenden Betrag auszahlt, stellt man die Passion mal ziemlich in Frage. 


Shy Guy

Grundsätzlich bin ich ziemlich schüchtern. Selber etwas zu verkaufen und Projekte mit anderen komplett fremden Leuten anzupacken hat mir den Grund gegeben mich zu überwinden und mit anderen in Kontakt zu treten und offener zu sein. 

05.12.2020, Luc Stähli


www.lsbehindthecamera.com


 

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